Die Caritas hat sich sozial gerechten Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben und will bis 2030 ­klimaneutral sein. Über die Klimapolitik des Bundes und neue Förderprogramme sprach Thomas Becker, Bereichsleiter Sozialpolitik und fachliche Innovationen im Deutschen Caritasverband, mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze.


Info: Dieses Interview ist ursprünglich erschienen in der Caritas-Verbandszeitschrift neue caritas. Bei dem auf diesem Blog veröffentlichte Inhalt handelt es sich um einen Textauszug. Das Interview in voller Länge können sie hier lesen. 


Frau Ministerin Schulze, im Sommer 2019 hat das Bundesumweltministerium ein neues Referat „Soziale Angelegenheiten der Umweltpolitik, Soziale Gerechtigkeit“ gegründet. Wie kam es zu dieser Idee und der in der Folge intensiven Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden?

Schulze: Mich leitet die Überzeugung, dass für eine erfolgreiche Klima- und Umweltschutzpolitik soziale Fragen mitgedacht werden müssen. Daher habe ich gleich zu Beginn der Legislaturperiode eine Arbeitseinheit ins Leben gerufen, die sich den sozialpolitischen Wirkungen von Umweltpolitik widmet. Inzwischen gibt es einen fest etablierten und wertvollen Austausch meines Hauses mit den Wohlfahrtsverbänden. Beide Seiten können hier voneinander lernen – über die Hürden, aber auch die Chancen, die der Klima- und Umweltschutz für die sozialen Einrichtungen und Dienste bedeutet. Es ist zum Beispiel deutlich geworden, dass die Sozialwirtschaft die Herausforderungen finanziell wie personell nicht aus eigener Kraft schultern kann. Als ein Ergebnis unserer Zusammenarbeit konnten wir für die Sozialwirtschaft zwei maßgeschneiderte Förderprogramme entwickeln. Die Gespräche offenbaren aber auch, wie stark das Thema Klimaschutz bereits in der Wohlfahrt angekommen ist. Ich bin beindruckt, wie viele wegweisende Projekte und Vorhaben die Sozialwirtschaft bereits auf den Weg gebracht hat.

Der Stromspar-Check der Caritas, seit Dezember 2008 mit der Förderung des Bundesumweltministeriums am Start, ist ein Erfolgsmodell. Auf Einladung der OECD konnte ich ihn sogar auf der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris vorstellen.

Der Stromspar-Check ist ein Vorhaben der Nationalen Klimaschutz­initiative des Bundesumweltministeriums. Gemeinsam mit dem Bundesverband der Energie- und Klimaschutzagenturen (eaD) gelingt es der Caritas seit über einem Jahrzehnt, in einem großen Teil unserer Gesellschaft einen „fairen“ Klimaschutz zu verankern. Mehr als 970.000 Menschen wurden durch die zumeist arbeitslosen Stromsparhelfer vor Ort in ihren Wohnungen erreicht und für den Klimaschutz gewonnen. Der Stromspar-Check hilft einkommensschwachen Haushalten konkret dabei, ihr Verhalten zu verändern und damit die Energierechnungen spürbar abzusenken. Im Durchschnitt haben die Haushalte seit Projektbeginn zwischen 170 und 276 Euro pro Jahr mehr im Portemonnaie. Das zeigt deutlich, wie sehr sich klimafreundliches Verhalten im wahrsten Sinn des Wortes auszahlen kann. Auf dem Weg hin zu einer treibhausgasneutralen Wirtschafts-, Arbeits- und Lebensweise sind Projekte wie der Stromspar-Check der Caritas wegweisend. Sie zeigen, dass umwelt- und sozialpolitische Aspekte zwei Seiten derselben Medaille sind.

“Die ökologische Transformation wird auch die Wohlfahrt extrem fordern”

Der Deutsche Caritasverband hat inzwischen eine Klimaschutz­initiative gestartet und auch auf seiner Delegiertenversammlung im Herbst 2020 politische Forderungen für einen sozial gerechten Klimaschutz verabschiedet.1 Dabei hat er sich eine Selbst­verpflichtung auferlegt: „Für die verbandliche Caritas ist die ­Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2030 ein ambitioniertes, aber der Problematik angemessenes Ziel.“ Wie kann das Bundesumweltministerium (BMU) die vielen Einrichtungen der Caritas dabei unterstützen?

Die großen Aufgaben unserer Zeit – der demografische Wandel, die Digitalisierung und der Klimawandel – können nur mit einer gesamtgesellschaftlichen Kraftanstrengung gelingen. Die ökologische Transformation wird auch die Wohlfahrt extrem fordern. Damit Kitas, Senioreneinrichtungen oder Behindertenwerkstätten ihren CO2-Fußabdruck verringern können, müssen sie umfassende Veränderungen vornehmen. Ich denke hier an die energetische Sanierung des Gebäudebestands oder die Anschaffung klima­freundlicher Fahrzeuge. All das kostet Zeit, Geld und Know-how. Um sich auf die Herausforderungen rund um den Klimawandel einzustellen, unterstützt das Bundesumweltministerium soziale Dienste und Einrichtungen mit zwei neuen Förderprogrammen aus dem Konjunktur- und Zukunftspaket. Seit Herbst letzten Jahres können sie im Rahmen des Förderprogramms „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“ bis 2023 individuelle Beratungen, umfassende Konzepte und konkrete Maßnahmen beantragen, um sich an die Belastungen durch den Klimawandel anpassen zu können. Sozialen Einrichtungen, die ihre Fahrzeugflotte auf rein batterieelektrische Neufahrzeuge umrüsten möchten, stehen bis 2022 im Rahmen des Programms „Sozial & Mobil“ zudem 200 Millionen Euro zur Verfügung. Mit beiden Programmen setzen wir nicht nur wichtige Konjunkturimpulse in der Corona-Pandemie, sondern können auch gegen den Klimawandel und seine Folgen vorgehen und gleichzeitig das Arbeitsumfeld der Beschäftigten sowie die Lebensqualität betreuungsbedürftiger Menschen verbessern.


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