Ich bin über die jüngste Kampagne der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) entsetzt. Sie ist kurzsichtig, einfallslos und regelrecht peinlich.

Es mag sein, dass mein Entsetzen mit dem religiösen Bezug der Anzeigen zu tun hat – dieser kann mich als Pfarrer nicht kalt lassen, zieht er doch den biblischen Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung ins Lächerliche.

Aber es geht mir um viel mehr als das. In den sozialen Medien fragen viele „was hat das mit Euch als Caritas zu tun? Bleibt bei Eurem Geschäft, statt Euch politisch einzumischen!“. Aber das ist es ja gerade: Für Klimaschutz einzutreten ist und muss unser Geschäft als Caritas sein! Denn die Klimakrise trifft in erster Linie die, deren Stimme wir nicht hören: Die Kinder, die nicht wählen; die Menschen, die Klimakatastrophen weltweit in die Flucht treiben; die Menschen mit geringen Einkommen hierzulande, die bei den ökonomischen Anreizen zum Klimaschutz oft außen vor bleiben. Ökologie und das Soziale, das unser Caritas-Kerngeschäft ist, gehören zusammen.

Bestimmte Kräfte bei uns sind noch nicht so weit

„Verbote“ und „Verzicht“ werden in der jetzigen Kampagne als größtes Übel überhaupt dargestellt.  Geht es eigentlich noch populistischer? Die Bilder aus dem dürre-geplagten Westen der USA führen uns doch vor Augen, was die Übernutzung der Ressourcen mit unserem Planeten anstellt. Da wird notgedrungen gerade auch auf vieles verzichtet – die Wasserreservoirs sind beinahe leer. Und diesmal passiert es nicht im fernen Bangladesh sondern in den (zumindest kulturell) nahen USA. Die bekanntlich lange auch nicht viel von Klima-„Verboten“ hielten. Zum Glück verändert sich dort politisch gerade vieles.

Bestimmte Kräfte bei uns sind aber noch nicht so weit und wehren sich dagegen, dass „die Wirtschaft“ und überhaupt „der Bürger“ ihr Verhalten anpassen müssen. Wie armselig übrigens, dass das Thema Flugreisen gleich der erste Punkt der „10 Gebote“ ist, passend zum Sommerstart und zur wiedererlangten Reisefreiheit nach den Corona-Einschränkungen. „Da konnte man zehn Monate lang nirgendwo hin und jetzt will man uns noch verbieten…“ – man kann sich die Empörung ausmalen, die die Verfasser der Anzeige damit auszulösen hoffen.

Geschenkt, es ist Wahlkampf, und da ist bekanntlich jedes Mittel erlaubt. Inzwischen ist das Handlungszeitfenster für Klimaschutz jedoch so klein, dass wir bei diesem Thema keine Zeit mehr für Populismus haben!

Jetzt ist die Zeit, in der Konzepte, Visionen und Strategien auf ihre Wirkungen in Bezug auf unterschiedliche Ziele und Bevölkerungsgruppen hin geprüft und diskutiert werden können, sodass wir als Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, die für uns richtige Wahlentscheidung zu treffen.

Wir brauchen konkrete Lösungen, nicht nur Phrasen

Mit „richtig“ meine ich nicht eine bestimmte Partei – die Kommentare „seit wann macht die Caritas Wahlwerbung?“ gibt es nämlich auch. Ich meine grundsätzlich ein politisches Angebot, das den Ernst der Stunde erkennt und konkrete Lösungen, nicht nur Phrasen, präsentiert. Umso besser, wenn das in mehreren Parteiprogrammen der Fall ist und es einen Ideenwettbewerb in Sachen Klimaschutz gibt.

Es gibt sie nämlich, die Maßnahmen, die Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gleichermaßen befördern: EineCO2-Bepreisung, die mit einer Pro-Kopf Klimaprämie sozial ausgeglichen wird;, klimaschädliche Subventionen ins Gestern müssen abgebaut und der Ausbau klimafreundlicher Infrastruktur befördert werden.

Darüber und über den besten Mix muss sachlich und konkret diskutiert werden und nicht auf Stammtischniveau mit dürftigen und beleidigenden Analogien agitiert. Zuviel verlangt?