Mobile Pflegedienste – gerade im ländlichen Raum – sind auf den Einsatz von Pkws angewiesen. Wie der Umstieg von Caritas-Fahrzeugflotten auf E-Mobilität gelingen kann, erklärt Markus Grams von der Caritas Dienstleistungs- und Einkaufsgenossenschaft im Erzbistum Paderborn (cdg) im Interview.

Herr Grams, warum rüstet die Caritas auf E-Autos um?

Zum einen haben wir uns der Bewahrung der Schöpfung verschrieben und wollen als Caritas einen Anteil leisten, die Treibhausgasemission zu senken. Da die ambulante Pflege ohne den Einsatz von Pkws nicht funktioniert, besonders im ländlichen Raum, und mit diesen häufig viele kurze Strecken zurückgelegt werden, ist das ein prädestiniertes Einsatzfeld für E-Mobilität.

Portraitbild von Markus Grams, Caritas Paderborn

Markus Grams von der Caritas Dienstleistungsgenossenschaft cdg Foto: Privat

Und zum anderen?
Natürlich spielt auch die Wirtschaftlichkeit eine wichtige Rolle. Da momentan viele Fördermittel ins System fließen, teils auch staatliche Subventionen, ist ein Umstieg vom klassischen Verbrenner auf Fahrzeuge mit reinem Elektroantrieb durchaus attraktiv geworden. Außerdem stellen wir fest, dass der Umstieg auf E-Mobilität auch zu einer besseren Mitarbeiterbindung führen kann.

Bessere Mitarbeiterbindung durch ein Auto – können sie das genauer erklären?

Die Umstellung auf eine moderne Flotte wird sowohl intern als auch extern als innovativer Schritt wahrgenommen. Die Mitarbeitenden erhalten ein modernes Arbeitsmittel, mit dem sie jeden Tag unterwegs sind. Von vielen Caritasverbänden erhalten wir die Rückmeldung, dass das ein ausschlaggebender Grund sei, den Schritt zur E-Mobilität zu gehen.

Was sind die größten Herausforderungen beim Umstieg auf eine E-Fahrzeugflotte?

Mit den Benzinern und Dieselfahrzeugen hat man ein gewohntes Medium. Ist der Tank leer, geht es zur Tankstelle – und selbst bei Kleinwagen ist mit vollem Tank eine Reichweite von 600 Kilometern drin. Beim Umstieg aufs E-Auto bricht man dieses System auf und ersetzt es durch ein neues Modell, dass völlig anders funktioniert. Unsere ersten E-Smarts, die wir 2019 in Nordrhein-Westfalen auf die Straße gebraucht hatten, haben beispielsweise eine Reichweite von gerade einmal 100 Kilometern. Einfach mal so E-Autos vor die Türe stellen – das kann nicht funktionieren.

Warum nicht?

Man muss mit einem ganzheitlichen Ansatz ran gehen. Zuerst muss man sich ganz genau die aktuelle Flotte anschauen. Was müssen die einzelnen Fahrzeuge täglich leisten? Wo werden sie geparkt? Ist eine private Nutzung vorgesehen? Dementsprechend muss in einem zweiten Schritt geschaut werden, welche Ladeinfrastruktur benötigt wird, wie und ob diese selbst organisiert werden kann. Wie funktioniert Laden eigentlich? In welchem Zyklus muss geladen werden, wie lange dauert das, wie viel Strom fließt? Außerdem muss man sich vorab intensiv mit dem Thema Förderung auseinandersetzen. All das sind Dinge, die man sich beim Umstieg auf E-Mobilität gründlich überlegen muss.

Die Ladeinfrastruktur ist ein wichtiges Thema. Was würden sie einer Einrichtung raten, die mit dem Gedanken spielt, künftig E-Autos anzuschaffen?

Zuerst einmal würde ich empfehlen, in der eigenen Haustechnik nach den bereits vorhandenen Voraussetzungen zu schauen. Welche Standorte sind sowohl von Parkflächen als auch von der vorhandenen Elektrifizierung geeignet. Da der Energiebedarf auch schon für wenige E-Autos hoch ist, wird man in der Regel schnell feststellen, dass der vorhandene Strom nicht ausreicht. Spätestens jetzt braucht man Fachleute, die zumindest beratend unterstützen bei der weiteren Umsetzung. Schon bei zehn E-Autos an einem Standort braucht es in der Regel eine zusätzliche Zähleranschluss-Säule und eine zusätzliche Einspeisung von Strom, um genügend Leistung für verlässliches Laden mehrerer Fahrzeuge sicherzustellen. Eventuell bietet sich in dem Zusammenhang auch die Installation von Fotovoltaik-Modulen zur zusätzlichen und nachhaltigen Stromgewinnung an.

Wie grün ist denn der Strom, mit dem von ihnen vermittelte Caritas-E-Autos fahren?

Hier helfen uns die Fördermittelgeber gut mit. Denn es wird derzeit nicht nur die Anschaffung von E-Fahrzeugen gefördert von Bund und Land, sondern auch die Errichtung von Ladeinfrastruktur. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise fördert das Land nur dann Ladeinfrastruktur, wenn diese im Anschluss mit Ökostrom betrieben wird. Als Genossenschaft beschaffen wir inzwischen für unsere Mitglieder und Kunden gemeinsam Ökostrom für den kompletten Verbrauch.

Strom, insbesondere Ökostrom ist nicht billig – und die Energiepreise werden weiter steigen. Lohnt sich das wirtschaftlich überhaupt?

Wenn wir uns die Wirtschaftlichkeit anschauen, dann geht es in der Tat nicht nur um die reinen Anschaffungskosten, sondern um die Betriebskosten. Zum Beispiel ist eine Versicherung im Regelfall deutlich günstiger bei Elektrofahrzeugen. Das macht schnell einmal pro Fahrzeug 400 bis 500 Euro Jahresprämie aus. Es gibt zudem in den modernen E-Autos kaum mehr mechanische Bauteile, das macht die Wartung deutlich günstiger, so braucht es zum Beispiel keinen Ölwechsel mehr: All das macht den Unterhalt mittelfristig günstiger.

Würde die cdg auf Plug-in-Hybride setzen, die neben einem E-Antrieb auch weiter einen Verbrennungsmotor eingebaut haben, würden eingeschränkte Reichweite und Abhängigkeit von Ladeinfrastruktur nicht mehr so stark ins Gewicht fallen, oder?

Ein Plug-in-Hybrid ist eine Krücke, die nicht den Nutzen bietet, den sie verspricht. Meist bleiben bei diesen Fahrzeugen die Ladekabel originalverpackt im Kofferraum liegen, weil die elektrische Reichweite gerade einmal 30 bis 40 Kilometer beträgt. Aus ökologischer Sicht machen diese Autos mit ihrem Mehrgewicht durch die zusätzlich verbauten Batterien keinen Sinn – schon gar nicht für die Anforderungen im mobilen Pflegedienst. Daher setzten wir für die Caritas-Flotten ausschließlich auf reine E-Fahrzeuge.

Wie reagieren die Mitarbeitenden, die täglich im Einsatz sind, auf die neuen Autos?

In der Anfangszeit gab es ein gewisses Maß an Skepsis, was bei Veränderungen aber ganz normal ist. Um dem entgegenzuwirken, sind wir mit Musterfahrzeugen in die Einrichtungen gefahren und haben den Pflegekräften das Angebot gemacht, eine Runde zu drehen. Die meisten sind nach der Probefahrt mit einem Grinsen im Gesicht ausgestiegen, weil das Fahrverhalten und -vergnügen auf einem ganz anderen Niveau ist. Das fängt beim Thema Beschleunigung an und hört bei der deutlich hochwertigeren Ausstattung der Autos auf.

Hochwertige Ausstattung – das kennt man von Caritas-Pflegedienstautos eher nicht …

Ja, in der Regel sind die klassischen Fahrzeuge von Pflegediensten von der Stange und werden in der einfachsten Ausstattung geliefert. Die von uns georderten E-Fahrzeuge hingegen sind relativ hochwertig ausgestattet und verfügen oft über Sitzheizungen, Multifunktionslenkräder und einen leistungsstarken Bordcomputer. Das hat vor allem wirtschaftliche Gründe. Denn die gehobene Ausstattung steigert dann die Wiedervermarktbarkeit über Leasingverträge durch höhere Restwerte. Hierdurch werden – paradoxerweise – die Leasingraten für den Nutzer reduziert.

Vor zwei Jahren haben sie die ersten größeren Caritas-Flotten im Bistumsgebiet Paderborn auf E-Mobilität umgestellt. Können sie schon ein Fazit ziehen?

Dieses Jahr laufen die ersten Leasingverträge aus – und das ist eigentlich gerade für uns die Probe aufs Exempel. Denn: Was tun Verbände, die 2019 erstmals E-Autos für ihre Flotten angeschafft haben? Die Antwort: Fast alle bestellen wieder E-Fahrzeuge oder bauen ihre E-Flotten sogar aus. Der Trend ist also klar – und kaum ein Verband bereut die Umstellung. Einige Verbände mit großen Fahrzeugflotten peilen inzwischen sogar das Ziel an, in naher Zukunft 80 Prozent ihrer Flotte auf E-Mobilität umzustellen.

Also alles gut und keine Probleme mit den neuen E-Flitzern?

Unterm Strich erstaunlich wenige zumindest. Aber klar, im vergangenen Winter, als es teilweise sehr kalt war, bis zu minus 20 Grad Celsius, hat die Kapazität der Akkus in den Autos stark gelitten. Das kennen die meisten bestimmt von ihren Handyakkus, die im Winter schneller den Geist aufgeben. Außerdem gibt es immer mal Probleme mit nicht ausgefeilter Ladeinfrastruktur.

Wie wichtig ist für ihre Klient*innen und Mitglieder der Klimaschutz bzw. die eigene Klimaneutralität, wenn es um die Umstellung der Fahrzeugflotte auf E-Mobilität geht?

Wir nehmen hier eine grundsätzliche Unterscheidung wahr. Es gibt eine Reihe von Vorständen und Geschäftsführungen, die sehr pragmatisch und wirtschaftlich an das Thema ran gehen. Die bestellen dann vielleicht mal ein E-Auto, um dabei zu sein und es auszuprobieren. Und dann gibt es eine immer größer werdende Gruppe, die eine eher ökologisch und nachhaltig geprägte Einstellung haben. Diese Gruppe von Entscheider*innen interessiert sich stärker für Themen wie Gemeinwohlökonomie, Nachhaltigkeit, Gebäudeeffizienz. Wenn aus diesem Lager eine Fahrzeug-Flottenentscheidung ansteht, spielt der Klimaschutz eine zentrale Rolle.


Zur Person:
Markus Grams (44) ist studierter Betriebswirt und seit 2019 Leiter der Geschäftsstelle der Caritas Dienstleistungs- und Einkaufsgenossenschaft im Erzbistum Paderborn (cdg). Sein Arbeitsschwerpunkt ist der strategische Einkauf. Zuvor hat Grams in der öffentlichen Verwaltung im Einkauf gearbeitet.