Ist die Klimakrise eine “Kindeswohlgefährdung”? Prof. Barbara Schramkowski sieht den Staat in der Pflicht, Kinder und Jugendliche zu schützen

Die globale Klimakrise verletzt Kinderrechte und ist eine permanente Gefährdung des Kindeswohls, das zu schützen der Staat verpflichtet ist.
Das sagt Barbara Schramkowski, Professorin für Soziale Arbeit an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. „Kinder und Jugendliche haben wenig Verantwortung für den Zustand unseres Planeten – aber sie sind überproportional von den negativen Auswirkungen betroffen“, so Schramkowski. Die Folgen des Klimawandels, Artensterben und Umweltzerstörung träfen Kinder nicht nur in besonderem Maße, weil sie noch am Beginn ihres Lebens stünden. Körperlich reagierten Kinder aufgrund ihrer Entwicklung auch besonders anfällig etwa auf Hitzewellen oder Feinstaub – und psychisch bedeute die Entwicklung für sie eine besondere Belastung und könne umweltbezogene Ängste auslösen, die bereits stark zugenommen hätten: „Wenn Kinder und Jugendliche zum Beispiel sehen, wie in ihrem Umfeld die Bäume vertrocknen, dann macht das etwas mit ihnen.“

Die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen, die Deutschland unterzeichnet hat, sichere Kindern ein Recht auf Entwicklung, Beteiligung und Schutz zu. „Die Entwicklungsbedingungen sind auf einem beschädigten Planeten aber einfach schlechter“, sagt Schramkowski. Der Einfluss von Kindern und Jugendlichen auf diese Entwicklung und ihre Beteiligung an Entscheidung sei gering, obwohl sie zu den Hauptakteuren der Klimaproteste gehörten. Und der Schutz von Kindern und Jugendlichen sei völlig unzureichend – nicht zuletzt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Klimapolitik von 2021 habe festgestellt, dass die junge Generation unverhältnismäßig belastet und somit in ihren Grund- und Freiheitsrechten verletzt werde. Noch einmal besonders betroffen seien Kinder in Armutslagen, mit Behinderungen oder Krankheiten.

Die Folgen der Zerstörung des Planeten seien so gravierend, dass man von „ökologischer Gewalt“ sprechen könne, der Kinder und Jugendliche in besonderem Maße ausgesetzt seien, sagt Schramkowski: „Der Staat hat aber die Verpflichtung, sie vor Gefährdungen des Kindeswohls zu schützen.“ Dieses „Wächteramt“ übertrage der Staat normalerweise auf die Kinder- und Jugendhilfe, die bei Gefährdungen etwa mit Hilfen zur Erziehung oder auch Inobhutnahmen reagiere. „Diese klassischen Verfahren können Kinder aber natürlich nicht gegen ökologische Gewalt schützen, weil diese nicht aus dem familiären Umfeld stammt“, sagt Schramkowski. „Hier ist der Staat aus meiner Sicht verpflichtet, selbst viel schärfere Maßnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen.“ Die Kinderrechte seien beim Einsatz für einen wirksameren Schutz der Erde nur eine von vielen Argumentationslinien – aber eine wichtige: „Denn das Thema ist von eklatanter Ungerechtigkeit durchzogen.“

Thomas Goebel