Die wirksamen Sieben

Sieben Schritte für wirksamen und sozialgerechten Klimaschutz

1. CO2-Bepreisung erhöhen und Klimaprämie einführen

Die Emission von Treibhausgasen muss teurer werden, um die richtigen Anreize in Wirtschaft und Gesellschaft zu setzen. Ein sinnvoller Weg ist die Besteuerung des CO2-Ausstoßes von mindestens 60 Euro pro Tonne mit einem kontinuierlichen Anstieg auf 180 Euro pro Tonne im Jahr 2030. Seit 2021 werden 25 Euro pro Tonne CO2-Emissionen erhoben. Höhere CO2-Preise treffen einkommensschwächere Haushalte jedoch deutlich stärker, da sie einen höheren Anteil ihres Einkommens für Energie ausgeben müssen und zudem häufig geringeren Einfluss auf ihren Verbrauch haben (als Mieter/innen entscheiden sie bspw. nicht über den Energiestandard des Hauses). Daher müssen diese Einnahmen vollständig in Form einer sogenannten Klimaprämie anteilmäßig an die Bevölkerung zurückgezahlt werden. Nur so können sozial begründeten Benachteiligungen vermieden und die Akzeptanz gesteigert werden. Flankierend zur Pro-Kopf-Rückverteilung kann ein Ausgleichsfonds zur Abwendung besonderer sozialer Härten hinzukommen. Die Klimaprämie darf nicht mit Fürsorgeleistungen verrechnet werden. Somit entfaltet sie eine Lenkungswirkung hin zu einer klimafreundlicheren Produktion und eines treibhausgasärmeren Konsums auf der einen Seite und einer monetären Umverteilung, welche vor allem Einkommensschwächere stärkt, auf der anderen Seite.

2. Klimaschädliche Subventionen abschaffen

Die zehn klimaschädlichsten Subventionen beliefen sich im Jahr 2020 auf 46 Mrd. Euro, Förderprogramme der Länder und Kommunen sind nicht eingerechnet. Weltweit geben die Regierungen 5,2 Billionen Dollar jährlich an direkten und indirekten Subventionen für fossile Brennstoffe aus, 85 Prozent davon für Öl und Kohle, wie der IWF errechnet. Der Abbau der zehn Spitzenreiter klimaschädlicher Subventionen könnte Emissionsminderungen in Höhe von 100 Mio. t CO2-Äquivalenten bewirken, was ungefähr dem Umfang der durch den Pkw-Verkehr in Deutschland verursachten Emissionen entspricht.

Besonders klimawirksam wären der Abbau der Energiesteuerbefreiung für Kerosin (Einsparpotenzial ca. 26 Mio. t. CO2 sowie 8,2 Mrd. Euro), der Abbau der Energiesteuerbegünstigung für die Stromerzeugung (Einsparpotenzial 37-76 Mio. t CO2-Äquivaltente und 1,8 Mrd. Euro) sowie die Reduzierung der Strompreisausnahmen für die Industrie (ca. 10 Mio. t CO2 als Einsparpotenzial und 17,8 Mrd. Euro, davon 8,9 Mrd. für fossile Energien). Auch die Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge (Einsparpotenzial 7,3 Mio. t. CO2 und mehr als 4 Mrd. Euro), die Entfernungspauschale (Einsparpotenzial knapp 5 Mio. t CO2 und 4-5,6 Mrd. Euro) sowie die Energiesteuervergünstigung für Dieselkraftstoff (3,7 Mio. t CO2 sowie 8,2 Mrd. Euro) würden hohe Mengen an Treibausgasen einsparen. Das Dienstwagenprivileg fördert besonders umweltschädliche und teure PKWs, dessen Abschaffung 4,4 Mrd. Euro einbringen sowie Treibhausgase im Umfang von 1,9-5,8 Mio. t CO2 einsparen würde.

Bei der Ausgestaltung der Konjunkturpakete zur Überwindung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sollten nur Wirtschaftszweige und Unternehmen gefördert werden, deren Ausrichtung mit den Pariser Klimaschutzzielen vereinbar sind.

Die klimaschädlichen Subventionen haben in ihrer Wirkung keinen längerfristigen sozialpolitischen Fokus und konterkarieren Klimapolitik in erheblichem Ausmaß. Sie sollten zugunsten des Ausbaus klimaschutzförderlicher Infrastruktur abgebaut werden, wozu sich die Staaten bereits in mehreren internationalen Verträgen verpflichteten.

3. Energiewende: alle profitieren – ökologisch und ökonomisch

Die Energiewende hat neben Energieeinsparung und Steigerung der Energieeffizienz den Umstieg der Energieversorgung von fossilen und Kernbrennstoffen auf erneuerbare Energien wie Wind- und Wasserkraft, Sonnenenergie, Geothermie oder nachwachsende Rohstoffe zum Ziel und bildet aufgrund der hohen Emissionen bei fossiler Energiegewinnung einen Kernbereich wirksamer Klimapolitik. Finanziert wurde der bisherige Ausbau der erneuerbaren Energien durch die EEG-Umlage und damit durch die Stromkund_innen unter Befreiung der im internationalen Wettbewerb stehenden gewerblichen stromintensiven Industrien. Damit schwindet für diese der Anreiz, auf energiesparende Produktionsweisen umzustellen, sozialpolitisch wirkt diese Form der Abgabe im Gegensatz zu einer Steuerfinanzierung regressiv, d.h. ärmere Haushalte werden relativ betrachtet stärker belastet.

Die Energiewende muss vorankommen, zumal der Energieverbrauch künftig durch die Elektrifizierung des Verkehrs- und Wärmesektors, Gewinnung von grünem Wasserstoff oder die Digitalisierung steigen wird. Eine vollständige regenerative, aber auch stärker regional verortete Energieversorgung ist essenziell, der Ausbau ist zu beschleunigen. Förderprogramme könnten gezielt einkommensarme Bevölkerungsgruppen in den Ausbau integrieren und sie zu Profiteuren werden lassen. Den Kohleausstieg gilt es zu beschleunigen und damit einhergehende soziale Härten abzufedern. Die Höhe des Strompreises muss gut ausbalanciert sein: Einerseits muss er für alle bezahlbar sein, andererseits sollte er Stromsparanreize implizieren. Ein Grundkontingent an Strom könnte günstig an die Verbraucher_innen abgegeben werden. Darüber hinaus gehender Stromverbrauch wird progressiv stark besteuert. Wirksam und auf mehreren Ebenen erfolgreich ist der Stromspar-Check , den es auszubauen und zu verstetigen gilt.

4. Stadtentwicklung: klimaneutral, sozial inklusiv und sozial gerecht

Städte werden weiter wachsen, bis 2050 von vier auf 6,5 Mrd. Menschen. Um die Infrastruktur für die zusätzlichen 2,5 Mrd. Stadtbewohner_innen und die Erneuerung der bestehenden Städte realisieren zu können, werden 80 Prozent des laut dem Pariser Klimaabkommen zur Verfügung stehenden CO2- Budgets für das 1,5° Ziel aufgebraucht , was bedeutet, dass die Reduktion in den anderen Sektoren deutlich stärker ausfallen müsste.
Die Leitlinie für Stadtentwicklung muss eine integrierte, klimaneutrale, inklusive und an Gerechtigkeitsaspekten ausgerichtete Stadt der kurzen Wege sein. Der Innenentwicklung gilt der Vorzug, allerdings unter Beibehaltung städtischer, leicht erreichbarer Grünflächen. Energetische Sanierung, der Aus- und Umbau der Wärmenetze ganzer Stadtteile unter Beteiligung der dort wohnenden Bevölkerung sowie der Ausbau der öffentlichen, gut vernetzten, kostengünstigen und damit klimaschonenden Mobilität sind tragende Säulen. Gleichzeitig ist der motorisierte Individualverkehr einzudämmen, Verkehrsflächen sind hin zu sicheren Rad- und Fußwegen umzuwidmen. Eine Erhöhung der Förderprogramme für sozialen Wohnungsbau und die Förderung gemeinwohlorientieren Wohnungsbaus verhindern weitere Segregation und befördern Klimaschutz, denn kommunale und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen haben einen deutlich höheren Klimaschutzstandard im Gebäudebestand. Weiter gilt es Maßnahmen zu entwickeln, die den Energie- und Wohnflächenverbrauch in den Städten reduzieren.

5. Mobilität: Inklusive und klimagerechte Mobilität in einer flächengerechten Umgebung

Der Verkehrssektor war 2017 mit 18,4 Prozent der drittgrößte Emittent von Kohlendioxid in Deutschland. Lärmbelastung sowie die Emission weiterer gesundheitsschädlicher Stoffe verursachen vielfältige Umwelt- und Gesundheitsschäden. Der Verkehrssektor ist der einzige Sektor mit steigenden Treibhausgasemissionen, wobei der durch Fernflüge und Seeverkehr verursachte Ausstoß nicht mitgerechnet ist.
Ein Schlüsselsektor ist der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, bisher auf dem Land oft zurückgebaut, in den Großstädten überlastet. Zielmarke bis 2030 könnte sein, dass mind. 90 Prozent der Bevölkerung innerhalb eines Kilometers an den ÖPNV angeschlossen sind und dieser von 6 bis 22 Uhr stündlich verkehrt. Nicht nur Transferhilfeempfänger_innen, sondern alle Menschen mit geringem Einkommen, sollten ein kostenloses ÖPNV-Ticket erhalten. Die Einführung eines 365 Euro-Tickets (Jahresticket zum Preis von 365 Euro) für alle anderen Bevölkerungsgruppen ermöglicht auch ihnen eine kostengünstige Nutzung des unter klimapolitischen Gesichtspunkten sinnvollen ÖPNV. Was die überregionale Mobilität per Bahn betrifft, ist die Umstellung auf einen Deutschlandtakt, bei dem Züge jede Stunde in jede Richtung zur selben Minute fahren sowie eine attraktive Preisgestaltung zu gewährleisten. Zeitgleich mit dem Ausbau des ÖPNV muss eine Zurückdrängung des motorisierten Individualverkehrs erfolgen. Ein Tempolimit sollte ergänzend eingeführt werden (120 km/h auf Autobahnen und 30 km/h innerorts), da dies den CO2-Ausstoß und die Feinstaubbelastung vermindert sowie zu einer Reduktion der Zahl der Verkehrstoten und Verletzten führt. Keinesfalls dürfen CO2-Grenzwertvorgaben für Autos abgeschwächt werden. Ein einfacher Ersatz aller Verbrennungsmotoren durch elektrische Varianten ohne nennenswerte Reduktion der Anzahl der Fahrzeuge ist klimaschutzpolitisch nicht zielführend.

6. Gebäude: Klimaneutralität und Bezahlbarkeit in Einklang bringen

Der Gebäudesektor ist in Deutschland aufgrund der hohen Rate unsanierter Immobilien für 14,6 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich , verursacht insbesondere durch Heizen und Bereitstellung von Warmwasser.

Die Modernisierungsrate muss deutlich erhöht werden, aber nicht zu Lasten der einkommensarmen Bevölkerung. Die Modernisierungsumlage sollte künftig nur noch in der Höhe erhoben werden, in der die Gebäudeenergiekosten sinken. Für Menschen im Transferhilfebezug sollten die sanierungsbedingten Mehrkosten vom Jobcenter übernommen werden, gesetzliche Vorgaben für die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft (KdU) sind nötig. Verpflichtende, von der öffentlichen Hand finanzierte Energieberatungen von Hauseigentümer_innen, die zu individuellen Sanierungsfahrplänen führen, sind einzuführen.
Fördermittel für die Gebäudesanierung wurden befristet aufgestockt, die steuerliche Absetzbarkeit ermöglicht. Aufgrund der langen Sanierungszyklen müssen energetische Standards kontinuierlich aber merklich angehoben werden. Heute neu errichtete Gebäude sollten daher dem Ziel der Klimaneutralität (KfW-Effizienzhausstandard 40) entsprechen.

Die Refinanzierungsbedingungen für Gebäude der Sozialwirtschaft, deren Träger keine Finanzreserven für umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen besitzen (dürfen), müssen eine zeitnahe energetische Sanierung niedrigschwellig ermöglichen.

7. Digitalisierung: in den Dienst des sozial gerechten Klimaschutzes stellen

Der weltweite, durch die digitale Technik induzierte Stromverbrauch verursacht trotz Schwankungen ca. 3 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verursacht, Tendenz stark steigend. Die Zahl der Endgeräte steigt rapide, was trotz Stromverbrauchsreduktion pro Gerät zu höherem Gesamtverbrauch führt, ein klassischer Reboundeffekt. Weiter werden Netze und Rechenzentren deutlich ausgebaut werden, die Datenmengen erheblich zunehmen- ebenfalls mit steigendem Energieverbrauch. Die der digitalen Technik inhärenten kurzen Produktlebenszyklen werden dazu führen, dass der Markt der Gerätetechnik nicht gesättigt wird. Online-shopping verändert nicht nur Innenstädte und Konsumgewohnheiten, sondern hat auch Auswirkungen auf das Klima, insbesondere wenn die bestellten Produkte häufig zurückgeschickt werden. Seriöse Prognosen den künftigen Energiebedarf betreffend sind fehleranfällig, in „Worst-Case“-Szenarien wird von einem Anstieg des Stromverbrauchs von 3.000 TWh im Jahr 2018 auf fast 9.000 TWh im Jahr 2030 ausgegangen.

Bisher werden die digitalen Ressourcen überwiegend für konventionelles Wachstum eingesetzt, es dominieren Aspekte der Unterhaltung, der Bequemlichkeit, der Sicherheit und nicht zuletzt ökonomische Gewinnerwartungen. Digitale Technologien könnten jedoch konsequent für die Dekarbonisierung genutzt werden, bspw. durch die Erfassung von Emissions- und Ressourcenfußabdrücken über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg oder zur Bepreisung von Umweltgütern. Dafür sollten IT-Infrastrukturen als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge etabliert und gefördert werden, um diskriminierungsfreien Zugang zu gewährleisten. Konkrete Vorgaben die Ressourceneffizienz von Endgeräten, von Servern und das Recycling betreffend sind essenziell. Strenge Vorschriften, wie bspw. die Ökodesign-Richtlinie müssen zeitnah auf neue Produkttypen ausgeweitet werden. Auch der Suffizienzgedanke sollte deutlich stärker Eingang in die digitale Transformation erhalten. Technologische Entwicklungen sollten einen Klimacheck unterlaufen. Nicht zuletzt ist der rasche Ausbau der erneuerbaren Energien unabdingbar, damit Digitalisierung die klimapolitischen Anstrengungen nicht konterkariert.